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HORITSCHON


Eine weite dunstige Ebene, der Horizont von flachen Hügeln begrenzt. Ein kleiner Ort, Storchennester auf Schornsteinen, Obstbäume ringsum. Die Frau war schwanger. Das Kind drängte aus dem dunklen Schoß, die Hebamme half, ein Mädchen schrie mit dünner Stimme in die Welt.

Das Haus für drei Familien stand allein, das baumumstandene Dorf war keine halbe Stunde weit. Wind jagte über die Ebene und tobte unablässig um dieses Haus. Die Erwachsenen kannten so einen Wind nicht aus ihrer Heimat. Sie konnten sich nicht an ihn gewöhnen.

In den frühen Schlaf des Kindes drangen seine Gesänge; sie gehörten zur Geborgenheit der ersten Wochen. Weder das Klappern der Teller noch das Schließen einer Tür, auch nicht die Stimmen aus dem Haus erreichten seine Ohren. Nur der Wind. Wie leise konnte er säuseln, wenn er sich um die Mauern des Hauses schmiegte und die Fenster entlangstrich. In den Minuten, den Stunden des ersten Wachseins hörte das Mädchen das Spiel der Windboen, die kichernd über das Dach kollerten, die an den Fensterläden knabberten, sich an Fensterscheiben pressten, die mit leisem Knacken dem Druck nachgaben. Sie hörte ihn in die Blätter der Bäume fahren, sie lauschte dem Singen der Stromleitungen und Masten, wenn er sich in ihrem Gestänge verfing.

Als die Herbststürme über die Ebene fegten, war sie mit dem Gefährten längst vertraut. Sie brauchte keinen Nuckel, um sich in den Schlaf zu schmatzen, brauchte keine Kugeln über dem Bett, die sich bei Luftzug bewegten und keine Rassel. Sie lauschte. Der Sommerwind steigerte sein Singen und Säuseln zum Brausen und Stürmen. Manchmal wurde ein Fenster aufgedrückt von unsichtbarer Hand und der Vorhang blähte sich. Manchmal rutschen losgerissene Ziegel polternd über das Dach, fielen dumpf klirrend auf den Rasen oder ein losgerissener Fensterladen schlug heftig gegen die Hauswand. [ weiter ]